Montag, 18. Mai 2015

Die Planken der Welt



"Kinners, Kinners, Kinners …" da kann der Geist der Seefahrt nur wieder den Kopf schütteln. Kaum ist das Teichwasser tagsüber nicht mehr brrr-kalt, stapft schon wieder das lütte blaue Langohr übern Steg und verkündet ein Wunder was für nautische Riesenschritte er gemacht habe für die große Seebären-Prüfung. 

"Das Wasser ist meine wahre Heimat, dafür bin ich gemacht!" Aufgeregt tänzelt Hasenmaus auf dem Steg entlang der Wasserkante. "Nur noch wenige Aufgaben – dann bin ich ein vollwertiger Seebär! Und das mache ich mit links … oder mit Backbord! Wie der maritime Fachbär sagt." 

 Naseweis hängt an den Schnurrhaaren des aufgeregten Seehasen. Der Nagerjunge ist stolz so einen klugen Kumpel zu haben, der mit allen Wassern gewaschen ist. Hasenmaus kennt die sieben Weltmeere mit Vornamen und hat die letzten Wochen wie ein Seehund geackert, um sich solche Flüche merken zu können wie: "Dich einäugigen Polypen soll doch die siebenschwänzige Meerkatze kielholen beim Barte des Bartenwals!" Und das ist  verdammich eine kreuzschwere Klabautermannarbeit wie für sieben Höllenhunde, die ihre fassbäuchige Mudda durchfüttern müssen, jawollja!   

Ein kleiner Bärenjunge hat die ganze Zeit zugehört, wie hier große Reden geschwungen werden. Aber wenn hier … "einer ein Seebär werden will, dann sollte der schon ein Bär sein" … und nicht jeder, der vielleicht auch nur zufällig oder gar aus Versehen in einen Matrosenanzug gesteckt wurde!

Da hört eine Hasenmaus trotz seiner langen Löffel lieber gar nicht weiter hin. Diese schwankenden Holzplanken, die die Welt bedeuten, sollten jedem offen stehen. EIn Seebär zu sein ist doch ein Beruf, ach was, Berufung und keine Fellbeschreibung. Ein Seebär sollte jeder werden dürfen, egal ob er Zebrastreifen, Ringelschwanz oder eben Schlappohren hat. Also erklärt der künftige Meerespetz dem Mausepraktikanten lieber, wie er hier mit seinem Blechboot wassern will, ohne in den Binsen hängen zu bleiben.  

"Und Lotte, du hast doch auch einen Matrosenkragen … wirst du jetzt Quoten-Seebärin?" Es würde dem rauen, ungeschliffenen Ton auf den Schiffen sicher gut tun, wenn es mehr blaue Mädchen gebe. "Oder du wirst gleich Kapitisse oder Admirabellin oder wie so eine Schiffs-Chefin heißt."

 Das geht jetzt aber zu weit, stöhnt der Geist der Seefahrt. Es ist ja schon schlimm genug, dass er einen einzelnen Grünschnabel durch die Untiefen dieses maritime Kauderwelschs bugsieren muss. Wenn das jetzt eine ganze Schule von Jungfischen wird, dann wird er überhaupt keine Freizeit mehr haben für hohles Heulen, Zähneklappern und Kanonenkugelkegeln. Dann hätte er sich damals ja gleich einsargen lassen können.

 Ein Mädchen als Schiffs-Chef-Schoföse? Hat Antonetta das richtig gehört? Die junge Rättin muss da gleich mal nachfragen, denn sie kann sich Besseres vorstellen, als ihr Leben in einem Rattenloch zu verbringen. Sollen doch andere Ratten hier an Land den Wohlstandsmüll mit flinken Pfoten sortieren. Sie möchte später zu den Glücklichen gehören, die selber so einen Luxusabfall für andere machen können.

 Nun so ganz kann Lotte ihr nicht helfen. Die Häsin findet diese viele Gewese hier um das Schippern ziemlich anstrengend und umständlich. Die benennen alles um und machen aus jedem Knoten in einem Bändchen eine Geheimwissenschaft. Dann noch die ganze Folklore und ewig suhlen sie in der Vergangenheit. Dabei gibt es auf den großen Schiffe heute Computer und die meiste Zeit ist das Kurs halten wahrscheinlich so aufregend wie tägliches Busfahren im Vorort. Es muss noch einen anderen Weg geben, aber den kennt Lotte leider nicht. 

 Als die neugierige Nagerin den eifrigen Jungmatrosen anspricht, versteht sie sofort, was Lotte gemeint hat. Ein unendlicher Schwall prasselt auf die arme Rättin ein, was ein Seebär alles macht und kann. Von Slipstek, Hackstek und dem Anbrassen der Kombüse muss ein Seebär was verstehen. Er spricht mit Flaggen, singt in Shanty-Chören, schlägt das Leck und feudelt das Zwischendeck. Dann muss er navigieren, lavieren, fieren und havarieren … da schwirrt der armen Antonetta schon der Kopf. Verdattert wird Hasenmaus von der Spitznase stehen gelassen, bevor er noch auf die Wichtigkeit vom lauten Fluchen bei Wind und Wetter hinweisen kann. Nebenan, der blaue Bär brummelt zwar die ganze Zeit etwas ungehalten, aber vielleicht hat er für die ehrgeizige Einsteigerin eine leichter verständliche Zusammenfassung zur Seerättinen-Laufbahn und den Aufstiegsmöglichkeiten zur Kapitinöse?

 Der kleine Bär heißt Doppelblau und hat genau aufgepasst, was Hasenmaus über die Seefahrerei gerade erzählt hat. So ein Seebär will er auch werden und er bringt die besten Voraussetzungen mit. Er ist ein blauer Junge und sogar schon ein Bär. Da kommt rasch ein "See-" davor und dann wird er es diesen vorlauten Leicht-Schlappohren schon zeigen … aber wie das einer Rättin helfen soll, weiß er auch nicht. Vielleicht findet sie ja einen echten Experten, einen wahren Geist …

 Nun, der Geist der Seefahrt ist doch schon längst da und wundert sich über so viel Interesse. Doch soll er wirklich einer Rättin in die Seefahrt helfen? Seebären gehören auf jedes Schiff. Und bei Hasen auf großer Fahrt fehlen eigentlich die Erfahrungen. Aber Ratten? Während Mäuse mit dem berühmten Mann untergehen und so auch Kapitän werden könnten. Denn der geht als Letzter (wenn überhaupt). Aber bekanntlich verlassen Ratten das sinkende Schiff … und wenn nicht sogar früher … darüber wird er noch einmal bei einem Meerschaumpfeifchen sinnieren müssen. Doch jetzt wird es Zeit zu verschwinden. Ratten haben scharfe Augen und lassen sich auch nicht so leicht ins Nebelhorn jagen wie diese übereifrige Langohren.

Schon kneift Antonetta die Augen zusammen und blinzelt gegen die Sonne. Bewegen sich dort nicht einige Schilfblätter, und kein Windhauch liegt in der Luft. Doch als sie versucht, noch genauer ins Dickicht am anderen Ufer zu spähen, sieht sie nichts mehr. Nur starres Grün stakelt dort am Wasser und die Insekten schwirren.


Fotos: W.Hein

Der Wunsch von Hasenmaus, Seebär zu werden, ist schon ziemlich alt und einiges ist bislang im Verborgenen geschehen. So wird er seine letzten Prüfungen hoffentlich in diesem Sommer endlich erfolgreich abschließen und kann auf große Fahrt gehen. Wir drücken dem Langohr und uns die Daumen. Heute trifft er wieder auf die beiden Mäuse Altklug und Naseweis (alle drei von Bell Bears Design), dazu kommen Lotte und, frisch angeheuert, Doppelblau (beide Valdorf Bears) sowie die ehrgeizige Jungrättin Antonetta (Tonni Bears). Über allem wacht der Geist der Seefahrt (Bella Bim Bär), dessen flüchtige Erscheinung im Garten die fotografische Wiedergabe immer etwas schwieriger macht. 


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