Montag, 28. Mai 2012

Gartenbahn


Dex, der gelbe Viren-Skänner, fliegt langsam über die Platine mit der Leiterbahn des großen Gartenrechners. Mit seinem Vergrößerungsglas inspiziert er genau die Verbindungswege und sucht nach Viren und anderen Fieslingen. Nelleke hat mit ihren Freundinnen die Networker-Holzbahn auf der Betonfläche im Wildwuchsgarten aufgebaut, weil sie heute das spielen, was in diesen Kompjutern, Pezehs und Läpptopps stattfindet. Sie verschicken Ihmeils, füllen Postfächer, brennen Daten, sausen über Leiterbahnen, entleeren den Papierkorb und hüpfen im Netzwerk über Schnittstellen, Weichen und Kreuzungen.

Die kleine weiße Maus fährt mit ihrer sechsgeräderten Datenpolizei von Knotenpunkt zu Knotenpunkt und prüft, ob überall nur nette Networker sind, die fröhlich winkend ihrer Arbeit nachgehen. Hier arbeitet ein kleiner blauer Postmeister, der die rechteckigen Nachrichtenplättchen für den nächsten Ihmeil-Transportzug sortiert.

Und Nelleke überwacht alles von mit fliegenden Datenuntersuchern von oben. Noch eine letzte Runde – wenn alles so friedlich ist, kann die kleine Mützenbärin wieder zu ihren roten Datenbrenner-Bahnwagen zurückkehren, um mit dem Feuerblitz auf Rädern neue Wege im Streckennetz zu suchen. Es muss doch möglich sein, beide Brennstationen direkt zu verbinden, ohne immer den großen Bogen am Aluteich mit der Schiebebahn ablaufen zu müssen.

Das Streckennetz auf der Betonplatine des Gartencompjuters ist einfach so groß, dass es zunächst keinem auffällt, als sich der maskierte Obermotz der Fiesheit mit seinen üblen Viren schon längst auf den schnellen Verbindungen des Datenverkehrs breit macht. Mit den Virentransportern blockiert er immer neue Leiterbahnen und die kleinen grünen, roten und gelben Männchen machen sich bereit, um sich auf jeden unvorsichtigen Networker zu stürzen.

Noch schiebt ein Schaf versonnen den Müllzug in Richtung des großen grünen Punktes im Netzwerk. Noch zwei Weichen und ein kleiner Innenkreis, dann ist die Schnucke wieder am grünen Kugel-Mülleimer angekommen.

Der schurkischste Oberschurke vom Dienst hat mit seinen Viren den ersten Postzug gekapert und schickt ihn gleich mit einer unheimlichen Pinguin-Horde aus Lakritz auf die Reise. Es soll ja so komische hohle Holzpferde geben, die als Trojaner ganz viel Schaden anrichten, wenn sie die Bosheiten im Bauch verstecken. Was können dann erst Pinguine anrichten, die ihre niederen Instinkte mit feinen Ausgeh-Anzügen tarnen können. Und wie gefährlich eine Frack-Horde mit ihren spitzen Schnäbeln sein kann, weiß ein Experte für alles Mögliche aus eigener Erfahrung.

Das Schaf hört beglückt dem Vogelzwitschern und Bienensummen aus dem Mülleimer zu, das immer wieder ertönt, wenn Lena oben auf den grünen Punkt drückt: Noch einmal Bzzzzz! und Tschiep, Tschiep, Tschiep für die Schnucke, als ihr kleiner grüner Zugführer versucht, ihr ganz dringend etwas zu sagen.

Der kleine Müllmann gestikuliert immer noch wild mit den Armen, da wundern sich Lena und Larissa immer noch, was die ganze Aufregung soll. Wohin sie auch blicken, die Strecken sind frei und bei Marie und RaffRaff läuft der Datenverkehr.

Der schurkische Überfall wird endlich doch entdeckt. Noch breitet sich das Böse nur an den Rändern aus. Aber die weiße Maus braust schon in voller Fahrt den Eindringlingen entgegen. Sie muss nur noch ein paar Kurven und Abzweigungen abfahren, bis sie endlich den richtigen Schienenstrang erwischt.

Die Mädchen schauen gebannt zu, wie die Polizei sich müht, den Einfall der Viren zu stoppen, bevor sie den ganzen Gartencompjuter anstecken können. Sie ahnen längst, wer der hinter der Maske steckt, doch wie bekommen sie den allergrößten Störenfried wieder aus ihrem Netz?

Dieser allergrößte Störenfried muss erkennen, dass er enttarnt ist, als die kleine Maus plötzlich neben seinem Virenzug auftaucht. Noch hat er freie Bahn, weil die Polizei nur ein daneben verlaufendes Zweitgleis erwischt hat.

Zu spät erkennt er den Mauseplan. Wenig später münden beide Schienenstränge in eine gemeinsame Zusammenführung und hier ist die Polizei doch eine Wagenlänge schneller am Knotenpunkt. Seine wilde Frackhorde steckt schon fest, bevor sie ihr pinguinisches Werk voller Heimtücke beginnen kann.

"Ihr seid gemein zur Gemeinheit!" Der welbeste Bösewicht schimpft wie ein Rohrspatz. Er wird doch an seinen meisterlich-unholdigen Plänen gehindert, wenn das Polizeifahrzeug die Strecke blockiert. Dazu überwältigt die kleine, weiße Sicherheitsexpertin gerade seinen Zugführer des Virenexpresses. Und von oben wird die ganze Aktion ständig mit neugierigen Flugpetzen überwacht. So kann das Böse nicht arbeiten. So wird das nie ein richtiges Schurkenstück.

Larissa hat inzwischen Zet mit seinem weißen Virentransporter herangefahren. Während die weiße Polizeimaus den zappelnden Viro mit beiden Pfoten festhält, macht die Bärin die Kwarantäne bereit. Unter der Glasglocke kann der üble Wicht noch so viel toben wie er will, von allein kommt er da nie raus.

Schon ist der Viro eingedost und damit unschädlich gemacht. Der helle Nager muss den Glaszylinder nur noch auf den Virentransporter wuppen und Larissa kann mit dem zeternden Giftgrünling dann sicher zum Virenknast fahren.

Fassungslos muss der Meister des Netz-Verkleisterns zusehen, wie sein Virenfahrer von Zet und Larissa abtransportiert wird und seine Pinguine des Schreckens einfach auf der Strecke stehen gelassen werden. Wenn er jetzt nicht sofort handelt, wird das nie was mit der Übernahme des gesamten Compjuter-Netzwerks.

Der Virensucher hat aus der Luft schon den nächsten Virenbefall entdeckt. Die abseits gelegene Poststelle haben die beiden Netzschädlinge mit bösen Spämms und linken Links aufgefüllt. Wenn da keiner aufpasst, würden diese falschen Nachrichten beim nächsten Halt des Postzuges weiter im Netz verteilt.

So schnell gibt ein Meister-Unhold nicht auf. Der mobile Virenträger rattert auf riesigen Profilreifen heran. Schnell bekommen die Pinguine des Schreckens einen neuen Lokführer, damit sie weiter das Netz heimsuchen können.

Die Viren walzen unterwegs noch schnell die nächste Poststelle platt. Die nett flötenden Nachrichten auf den Plastikkärtchen tauschen sie noch gegen grässlich schrebelnde aus. Dann machen sie sich besser aus dem Staub, bevor die Saubermänner kommen.

Die Compjutersicherheit hat inzwischen mit vereinten Kräften die Virenbande an der anderen Poststelle gestellt. Die Maus fährt mit dem Polizeifahrzeug vor und Nelleke ist sogar mit zwei fliegenden Überwachern angerückt. Da haben die beiden Unholde keine Chance zur Flucht.

Wenig später rückt Larissa mit Zet und seiner fahrbaren Virenkwarantäne an. Die Viren werden eingesackt und auch unschädlich gemacht. Das ist ganz schön mühselig, aber Abschnitt für Abschnitt holen sich die Mädchen so ihr Streckennetz zurück.

Das ist doch voll ungerecht! Niemand mag die Fiesen! Ganz allein muss der allergrößte Bösewicht hilflos zusehen, wie seine Angriffstruppen dahinschmelzen wie Himbeereis in der Sonne. Einige verstecken sich schon in den großen Emo-Figuren für gut Networker. Vielleicht entkommen sie so der oberspießigen Säuberung.

Wo bleibt denn da der ganze Virenspaß? Wenn man nichts kaputtmachen darf? Der Cheffiesling sammelt seine letzten Grünlinge ein und überlegt, ob er sich wieder in Büsche schlagen soll? Sie könnten einen neuen Hinterhalt legen oder mit dem gekaperten Postzug die gefangenen Bösewichter befreien? Oder sie legen ein neues Gleis, das direkt in den Teich führt? Die Lakritz-Pinguine als Geheimwaffe hat Linus erst einmal wieder in die Hosentasche gesteckt. Dort warten sie zwischen Murmeln, Gummibändern, Flusen und dem üblichen Taschensand auf den nächsten Überraschungs-Angriff. Oder sie werden vorher weggeschlickert, damit der maskierte Virenboss besser nachdenken kann. Im Moment ist er so ins Pläneschmieden verstrickt, dass er gar nicht bemerkt, wie Marie mit ihrem Emo-Zug den Kreis verlässt und auf große Fahrt geht.

Lisa und Anna stehen am Haus und wundern sich. Da führt seit heute morgen plötzlich ein langer Schienenweg aus der Tür zum Garten. Und von hier aus ist auch noch kein Ende der Holzbahn in Sicht.

Es ist bald Zeit für das Abendbrot und Anna überlegt schon, wie sie die kleinen Petze wieder einsammeln soll. Da sieht sie, dass wenigstens eine Marie mit RaffRaff schon auf dem Heimweg ist.

"Achtung, Achtung, von der Bahnsteigkante zurücktreten," ruft die kleine Bärin und winkt dabei eifrig Anna und Lisa zu, damit die wissen, dass sie gemeint sind.

"Mach's gut Emo," hört der kleine Ihmeil-Postbote, bevor er einen Schubs bekommt. Mit Surren (und etwas Geklapper an den Schwellen) saust der Postzug von der Stegkante über das Podest und weiter zu den Steinplatten. Richtig schnell wird der Express für elektrische Briefe auf der geschwungenen Abfahrt – bis er am großen flachen Bogen wieder abbremst und langsam ausrollt.

Schnell springt Marie hinterher, denn sie muss Anna unbedingt zeigen, was sie heute erlebt hat. Sie hat den ganzen Tag elektrische Post mit der Hand zugestellt. Und die Briefe können alles erzählen, weil die Töne machen und reden können. Aber hier sind ja keine elektrischen Postfächer, die die Nachrichten vorlesen.

Da kann auch Emo nicht helfen, wenn die moderne Computertechnik noch nicht im Haus eingezogen ist.

Dann muss Marie der Anna eben alles haarklein selbst erzählen. Mit Pfoten und Tatzen. Ohne blinkende und piepende Technik. Und weil das alles dann länger dauert, sitzt sie gern dafür auf Annas Knien. Das gemeinsame Abendbrot muss heute noch ein wenig warten.


Fotos: W.Hein

Die Bären spielen hier mit BRIOs Networkern, die das schwedische Urgestein der Schiebeholzbahn 2006 erfunden hatte, um die klassische Eisenbahn in etwas todschick Modernes zu verwandeln. Das Innenleben des Computers mit seinen Bauteilen ist das Vorbild für Email-Arbeiter, Daten-Brenner, Viren-Scanner, Schutzmänner, Sicherheitskräfte und Müll-Recycling sowie ihren Gegenspielern mit Viren, Pop-ups, Spams, Trojanern und Black-outs. Alle kleine Männchen mit Magnetfuß nutzen noch die klassische Holzeisenbahn als Verbindungswege, haben aber futuristische Fahrzeuge und Hilfsmittel. Das Ganze ist bis ins kleinste Detail perfekt ausgestattet, dafür sorgen auch viele Sound- und Lichteffekte. Aber der große Erfolg ist offensichtlich ausgeblieben. Vielleicht, weil die Kombination von digitaler Technik und klassischer Holzschiebebahn doch nicht so zwingend ist. BRIO den Aufwand, eine neue Figurenwelt ins Kinderzimmer zu drücken, wohl auch unterschätzt hat. So freuen sich jetzt die Bären ziemlich allein an diesem modernen Klassiker (immer ein gutes Wort für einen unverdienten Flop). Denn, wer im Internet nach den Networkern von BRIO sucht, findet die hoffnungsfrohen Pressemitteilungen, den ersten Werbefilm ohne die versprochenen Fortsetzungen, die Angebote des Abverkaufs und ein paar Bildern von Computer-Nerds, die gern die Networkers als Maskottchen ihrer Leidenschaft gesammelt haben.

Irgendwann sind endlich alle kleine Bären und Mäuse auch wieder im Haus. Schlemmen noch schnell Honigbrot und Schokolade, bevor sie schweren Herzen in die weichen Kissen schlüpfen, weil morgen auch noch ein Tag ist. Darauf warten im Garten auch Zed mit seinem Virentransporter, der elektrische Briefträger Emo und die anderen wuseligen Networker. Und wenn morgen der weltbeste Heimlichtuer wieder die fiesen Viren anführt, werden sie diesmal auch sicher die Herrschaft über das Leiterbahnnetz übernehmen können. Hihihi! suselt sich da ein seliger Linus in seine Träume.


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