Sonntag, 30. Januar 2011

Das kleine Teehaus



Die feine Lebensart ist schon eine rechte Plackerei. Rosalie muss am massigen Picknickkorb schon ganz schön zerren, um ihn über das Parkett zu wuchten. Sie muss sich aber auch beeilen, sonst sind die Mädels da und nichts ist vorbereitet.

Max und Benjamin sitzen auf dem Aussichtsturm ihrer Pappbutze. Hier haben sie alles im Blick und sehen natürlich auch, wie sich die kleine weiße Bärin abplagt und mit dem schweren Korb immer näher kommt. Was will sie nur damit hier anfangen?

Die Mädels sind schon da. Zumindestens Larissa und Lotte warten auf Rosalie. Sie hat die beiden ins 'Teehaus' eingeladen. Da haben sie zunächst gestutzt, denn das einzige Haus, das sie bis jetzt kennen, ist das indem sie doch sowieso schon wohnen. Da hat Rosalie ihnen erklärt, dass es jetzt doch ein Haus im Haus gibt: Die Innenhausbutze der Bärenjungs. Und die hat sich die kleine Bärin mal eben geborgt für ein Kaffeekränzchen mit Tee.

Die Jungs ahnen nichts von ihrem Glück. Sie hat auch keiner gefragt. Das ist ja auch etwas schwierig, wenn sie immer oben auf dem Aussichtsturm hocken. Und unten das Pappzimmer fast immer unbehaust ist. Kleine Petzelinen finden da, sie hätten sich eigentlich die Bauerei gleich sparen können, wenn es jetzt nicht von ihnen entdeckt worden wäre.

So wundern sich die Jungs, warum die Mädels schwere Koffer heranwuchten, wobei zwei von ihnen wohl eher für den moralischen Beistand zuständig sind. Und Rosalie sagen, wo es langgeht, weil sie ja beim Zergeln hinten keine Augen hat.

Endlich vor der Tür angekommen, zeigt die kleine weiße Hutbärin den beiden stolz das rosa Teeservice mit weißen Tupfen. Damit werden sie nun Kaffee-äh-Tee klatschen und schmausen. Eine richtige Teegesellschaft mit vornehmen Gesprächen über Aufkleber. "Aufkleber?" Ja man spricht da über diese Etiketten. "Was für Etiketten? Selbstgemalte Papieraufkleber auf Honigtöpfen oder Einmachgläsern?" Das weiß Rosalie auch noch nicht. Aber das üben sie jetzt bei hellem Tee und feinem Gebäck. "Muss ich jetzt etwa mit abgespreizter Tatze aus der Tasse schlürfen?"

"Das werden wir noch sehen. Jetzt müssen wir erst einmal den Tisch decken." Rosalie will nicht länger warten, um noch länger nur was-wäre-wenn zu spielen. "Lotte geh ins Haus und bereite alles vor. Du, Larissa suchst schon mal das karierte Tischtuch."

Rosalie klemmt sich Tassen und Teller unter das Kinn. Dann balanciert sie den ganzen Stapel vorsichtig zum Haus. Wenn da etwas runterfällt und zerspringt, muss ein Gast in eine Pappröhre gucken. Oder sich in der Butze anders beschäftigen, wenn die anderen noch lustig tafeln.

Das Fenster haben sie einfach zur Durchreiche umpfungsioniert, denn das geht viel schneller, als alles immer außen rum zu tragen. Außerdem muss selbst eine kleine Bärin immer aufpassen, mit dem Kopf nicht gegen die Decke oder vorstehende Pappvorsprünge zu stoßen. Wilde Butzenbauer können ja nicht die ganze Zeit irgendwelche Bauvorschriften oder praktische Erwägungen im Kopf haben.

Larissa hat nicht nur ein Tischtuch sondern auch Stoffservietten im Korb gefunden. Die trägt sie gleich selbst ins Haus, um Tisch und Fenster zu dekorieren. Rosalie sammelt inzwischen die Bestecke ein, bevor sie loszieht, um den Tee zu kochen.

Drinnen verteilen das Langohr und die helle Fusselbärin die Kissen und Decken. Sie haben ein Blumenpapier gefunden für einen schönen Bodenbelag. Und ein weiteres Stück mit zarten Sommerblüten hängen sie als Vorhang auf. Dann holt Larissa doch noch schnell den leeren Weidenkorb herein, denn die Jungs haben beim Butzenbau auch den Tisch vergessen.

Nun beginnen sie die Tafel einzudecken. Auf das rosakarierte Tischtuch stellen sie für jede von ihnen einen Teller, eine Tasse und einen Löffel. Natürlich alles passend in Rosa. Sie vergessen auch nicht das vierte Gedeck für eine graue Maus, die sich bis jetzt verspätet hat. Dann falten sie die rosa Stoffservietten zu hübschspitzen Dreiecken, die sie mitten auf die Teller stellen. Wenn es im Picknickkorb jetzt noch eine rosa Vase geben würde, hätte Lotte sicher noch ein paar rosa Stoffblüten besorgen können. So muss es heute ohne gehen.

Es wird Zeit für den Tee. Rosalie nutzt dafür den Außenherd. Denn in der Butze ist es schon jetzt ziemlich eng und mit dem Herd würde es nicht nur mollig warm sondern gleich brietig heiß werden. Bei einem Haus im Haus braucht man zum Glück keine Extraheizung und muss sich auch nicht um den Regen kümmern. Nasse Wände wären bei einem Pappbau auch etwas schwierig.

Endlich kommt eine abgekämpfte Maus an. Sie sollte die Schmackhappen für die Leckermäuler holen. Fein und süß hat Rosalie gesagt. Nun, saure Riesendrops für Maulsperren hätte die Mauseline Altklug sowieso nie besorgt. Aber dennoch ist es nicht einfach gewesen, was dieses 'fein' bedeuten soll. Sie hat sich jetzt für feinperlige Zuckerhimbeeren entschieden.

Rosalie begrüßt erleichtert die abgehetzte Freundin, die noch hektisch an dem prall gefüllten Einkaufsbeutel zieht. Die Bärin hatte schon befürchtet, dass sie alle mit leeren Tellern beim festlichen Spachteln nur-so-tun-als-ob schnabulieren müssten. Der Tee ist auch fast fertig und sie hatten deshalb überall schon nach Ersatz gesucht: Aber es gibt in der ganzen Butze keine geheimen Schlickervorräte. Die Jungs haben einfach keinen Sinn für die Grundlagen der besseren Lebensart.

Zum Glück sind es nur Schaumfrüchte und Perlbeeren, die dort über das Parkett rollen. Das blöde Süßkram poltert immer wieder aus der Tasche, wenn die Maus mal schnell machen will. Wenn das jetzt irgendwelcher sahniger Matschkram oder fluffige Krempampe wäre, was da auf den Boden kleben würde ... dann würde nur ein einziger süßlicher Klumpatsch bei der Teegesellschaft ankommen. Da könnte die ungeduldige Maus gleich einen Spachtel nehmen und jedem Gast einen feinen Zuckersahnebutterkremfüllungshaufen auf die Teller klatschen.

Die Trockenfrüchte sind eingesammelt und Rosalie tänzelt mit dem frischen Tee vorbei. Das grummelnde Nagerfräulein zupft vorsichtig am Henkel, um die heiklen Rollwaren die letzten Meter heil in die gute Stube zu bugsieren. Und dann ist auch die Maus im Haus.

Jetzt können sie endlich anfangen. Altklug verteilt noch schnell die Süßfrüchte auf den Tellern und Rosalie schenkt dazu einen warmen Früchtetee ein. "Und jetzt?" will Larissa wissen. "Jetzt machen wir auf feine Gesellschaft." Larissa zuckt verständnislos mit den Schultern. "Wir ratschen vornehm und ziehen mit hohen Nasen über andere her."

Sie haben ja schon einen Blumenvorhang vors Fenster gehängt. Und Karodeckchen auf der Fensterbank ausgelegt. Aber irgendwie haben Jungs auch keine Ahnung, wie man wohnliche Stuben bastelt. Sie müssen unbedingt noch mal mit den Butzenbauern reden. Damit die nicht immer alles so spitz und ungemütlich bauen.

Am besten, die Mädchen machen einen Plan und besorgen schon mal eine schöne Inneneinrichtung. Und dann sagen sie den Jungs, wie ein wirklich hübsches Teehaus aussieht: mit großen Fenstern, duftigen Vorhängen, bequemen Bänken und liebreizenden Bildern. Und natürlich brauchen sie Schränke und Regale für das Geschirr. Haben sie schon über Blumen gesprochen? Und Vasen, Vogeldekorationen und Spitzendeckchen. Sie könnten den Bastelbären schon erzählen, was sie besser bauen könnten. Beim nächsten Mal stellen sich die Mädels beim Butzenmachen gleich dazu und sagen rechtzeitig, was schön ist.

Der kleine Muck kommt heim. In den letzten Wochen leben die drei Bärenjungs eigentlich die ganze Zeit in ihrer Innenhausbutze. Eine Bärenhöhle im Trocknen für Winterschlaf, Fantasieabenteuer und Pappbastelei, die sie nur noch verlassen, wenn sie etwas ganz Dringendes erledigen müssen oder einen Riesen-Bären-Hunger haben. Doch vielleicht kochen Max und Benjamin jetzt sogar schon selbst, machen sich Büchsen warm oder brutzeln Kartoffeln auf Holzstecken über dem Feuer. Denn irgendjemand hat gerade den Herd benutzt.

Aus dem Haus hört der junge Bär silberhelle Stimmen, dazu ständiges Lachen und das Klacken von Porzellan. Da muss jemand in der Bärenbutzenkammer sein. Aber Max und Benjamin würden doch tiefer brummen und es klingt auch nicht nach Werkzeugkreischen, Akkuschraubern und dem Hämmern für wilde Innenausbauten. Was ist da bloß los?

Der kleine Muck schaut vorsichtig ins Haus. Das ist knackevoll mit gniggelnden Mädels, die sich kichernd mit pinkrosa Tassen zuprosten ... wo sind denn bloß die Jungs geblieben? Die sieht er in dem Trubel aus Spitzenröckchen, Blumenstoff und Umhängetäschchen noch immer nicht.

"Komm schnell rauf!" Max und Benjamin winken dem kleinen Muck eifrig von oben zu. Sie haben längst beschlossen, über den Dingen hoch oben auf dem Aussichtsturm zu bleiben und zu warten: "Sonst musst Du noch irgendwelchen Mädchenkram mitmachen."


Idee: SchneiderHein    Fotos: W.Hein

Der kleine Muck, Max und Benjamin sind Needful Friends. Rosalie und Larissa kommen von den Rica-Bären. Das Schlappohr Lotte ist laut so einem vornehmen 'Etikette' dennoch eine von den Valdorf Bears. Und Altklug bleibt immer noch eine Maus, auch wenn Bell Bears Design dafür verantwortlich ist.


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