Sonntag, 21. Juli 2013

Ein wundervoller Tag für einen Nicht-Geburtstag



Der Hutmacher wundert sich, was dies für ein Land ist. Er sieht sich eifrig im Garten um, aber die Rosen sind weiß, die Langohren zeitlos und die Katzen haben höchstens einen Kussmund. Er stromert noch ein wenig durch das schräge Abendlicht, als er zwei Bären trifft. Nun, er sollte sich hier gleich bekannt machen, damit es ihm nicht mehr so fremd daher kommt.

Es wundern sich die beiden Bären, als plötzlich ein Rotschopf mit flammenden Haaren sich vor ihnen aufbaut und dabei mit einer großen Geste den schwarzen Zylinder von seinem Kopf zerrt: "Einen wunderschönen Morgenmittagabend," schallt es Ihnen fröhlich entgegen. Dann beugt sich Hutschwenker ganz dicht zum Bärenmädchen: "Ihr seid doch sicher Alice!"

Die helle Petzeline weicht zurück. Was will der bunte Bärenvogel von ihr? Entrüstet korrigiert sie den frechen Fremden: "Nicht Alice ... ich bin Alisa!"

Schnell schiebt der elegante Paradiesvogel seinen Zylinder wieder an Ort und Stelle. Er will nicht gleich streiten: "Also gut, wenn wir heute einen Nicht-Geburtstag feiern, dann kannst du auch eine Nicht-Alice sein." Er stutzt einen Moment: "Ihr habt doch hoffentlich nicht heute etwa Geburtstag?" Alisa schüttelt nur den Kopf. "Das ist gut, sonst könnten wir auch keinen Nicht-Geburtstag feiern," fährt der Fremde fort: "Ich bin Hutmacher und immer für eine Feier gut." Da hält es der kleine braune Hosenmatz nicht länger aus. Er wird die ganze Zeit links liegen gelassen, obwohl er doch gut sichtbar rechts von Alisa steht: "Und was ist mit mir? Ich bin Conroy!"

Der Hutmacher ist verwirrt: "Conroy? Es gibt bei Alice ... Alisa ... also bei Nicht-Alice doch keinen Conroy." Und der Bär im roten Samtfrack kennt sich ja wohl in jedweden Wunderland aus. Ein kleiner Bär widerspricht heftig: "Natürlich gibt es mich! ... Hier! ... Hallo!" Doch ein Wunderlandexperte lässt sich nicht so schnell täuschen: "Nein, nein, da ist nur ein Kein-Conroy."

"Ich bin kein Kein-Conroy." Der Bärenjunge ist doch nicht sein Gegenteil. Erleichtert sieht er eine rote Gestalt im weißen Schaffell auf die Gruppe zueilen. Der Kleine beginnt eifrig mit den Pfoten zu winken, damit die eilige Spitznase sie ja nicht verfehlt: "Und da kommt jemand, der das bezeugen kann."

Kaum will die feine Dame sich nur eben schnell an Ihnen vorbei quetschen, spricht der kurze Bär sie forsch an: "Frau Fuchs, ich bin doch ein Conroy! Oder etwas nicht ...?" Die angesprochene hätte gern den Dreien nur einen flüchtigen Gruß zugeworfen. Sie will sich nicht schon wieder in ein Gespräch mit den kleinen Querköpfen verwickeln lassen: "Äh, ich habe eigentlich keine Zeit ... nein ... nein .. das ist ein ganz unbekannter Bär." Sie hebt die Pfote für einen Abschieds-Winker: "Ich muss dann mal ... ganz fix ... sagte ich schon ... Haus?"

Der braune Petz ist wie versteinert. Wie kann Frau Fuchs ein Schlaufuchs sein, wenn sie ihn nicht erkennt? Er hätte ihr wohl keine Frage stellen sollen. Dabei ist doch klar: "Ich bin ein Conroy!"

So viel Zeit muss sein. Die Frau im Hühnerhut will nur schnell den Hutbären warnen: "Pst, passen sie bloß auf, die beiden sind ein wenig verrückt ..." Da kann der Bär mit der ungezähmten Mähne nur müde abwinken: "Ach meine Liebe, keine Angst, ich bin noch viel verrückter."

Dann wendet sich der Hutmacher wieder seinen neuen Freunden zu: "So jetzt lasst uns einen Nicht-Geburtstag feiern ... oder hat jemand heute etwa Geburtstag?" Er schüttelt sanft den Kopf. Natürlich nicht, das hatten wir doch schon geklärt. Aber bei so vielen Nicht-Geburtstagen kommt man ja auch schnell durcheinander. "Na, dann ist ja alles wunderbar. Wir sollten sehen, was dieser Garten noch so bietet." Der Große legt den beiden ganz vertraut die Pfoten auf die schmalen Schultern: "Auf geht's, Nicht-Alisa und Kein-Conroy!"

Frau Fuchs kann sich nur wieder wundern. Sind denn hier alle etwas merkwürdig? Sie ist doch sicher ganz normal ... hoffentlich. Vielleicht liegt es ja daran, dass sie keine Bärin ist, oder es kommt von den Himmelsrichtungen: Im Westen verrückt? Nun, sie wollte ja eigentlich ... wollte ja eigentlich ... irgendwohin. Wo war nur noch mal dieses irgendwohin?

"Eine Tasse Tee?" Am Wegesrand steht plötzlich eine Bärin im rosa Sommerkleid. Sie streckt den drei Bären, auf dem Weg tiefer in den Garten, eine dampfende Tasse aus feinstem Chinaporzellan hin. Die kleinen Bären sind so miteinander ins Gespräch vertieft über all diese 'Nicht-Kein-Aber-Quasi-Ohne', dass sie einfach weiterlaufen. Doch der Hutmacher ist sofort interessiert: "Ein schöner Hut, ich muss es ja wissen. Bei wem lasst ihr arbeiten?"

"Ohh, ich liebe Teegesellschaften." Begeistert klatscht der Hütebär in seine Tatzen. "Wenn ich nur dem Märzhasen davon erzähle ... doch halt den muss ich erst einmal wiederfinden. Vielleicht ist ihm im Sommer die Zeit davongelaufen?"

"Ohne hektische Langohren hat man ja eigentlich alle Zeit der Welt. Nicht das man wüsste, wo man sie hintuen sollte. So viel Zeit ist manchmal etwas unhandlich. Vielleicht passt sie ja in eine Tasse Tee." Der feine Herr senkt schamvoll das Flusenhaupt: "Ich rede und rede und vergesse dabei die ganze Zeit den Tee." Dankbar nimmt er das angebotene Porzellangefäß. Dann hebt er die Tasse und bläst sanft über den Teespiegel, bis der aufziehende Dampf sich in eleganten Schlieren weg kräuselt.

"Jetzt fehlt nur ein Iss-Mich-Kuchen. Ihr müsst wissen, Speisen pflegen mit mir zu sprechen. Sie sagen ständig solche Dinge wie: 'Nimm mich ... beide Stücke ... die Cremeschnitten auch ... mit Sahne und Schokostreuseln extra!' Ach, wie soll man da überhaupt auf eine dürre, magersüchtige Linie achten? Schon gar nicht auf die eigene." Das ist kein leichtes Los. Der Hutmacher blickt versonnen auf die Tasse, als er weiter den lockeren Gesprächsfaden spinnt: "Wir essen ja, um groß und stark zu werden. Aber wenn man Pech hat, wird daraus klein und kugelig." Er blickt auf die kleine, frische Sommerbärin: "Nicht, dass ihr so pummelig seid. Ihr mögt doch sicher auch Kuchen?" Die kleine Bärin nickt nur hastig. Er zwinkert ihr aufmuntert zu: "Dies ist alles sehr bedenkenswert ... wenn man zum Sinnieren neigt. Doch nun muss ich mich eilen." Hastig nimmt der Hutträger einen großen ersten und zugleich letzten Schluck, stürzt den Tee gluckernd runter und drückt der überraschten Kuchenfreundin die Tasse wieder in die Pfote. Dann eilt er winkend davon.

Schnellen Schrittes holt der Hutmacher die beiden Bären rasch wieder ein. Sie trödeln ein wenig, weil Conroy immer noch kein Kein-Conroy sein will, wenn er eben ein Doch-Conroy ist! Nun Alisa kennt aber auch keinen Doch-Conroy ... ist das dann ein Nicht-Doch-Conroy? Aber kein Kein-Conroy. Bevor der Hütebär sich einschalten kann, wird er abgelenkt: Ist das nicht eine Schlafmaus? Sie hat wohl gerade die Teekanne verlassen, um sich andernorts in weiche Daunen zu kuscheln.

"Eine wundervolle Nicht-Nacht, mein müder Freund," begrüßt der wohlerzogene Zylinderträger freudig den transusenden Nager. "Äh, ja, Ihnen auch," murmelt schlaftrunken die Maus mit der Schlafmütze und blinzelt nur matt aus kleinen Augen, bevor sie sich wieder umdreht und weiter schlurft.

Die Raupe ist neugierig: "Wer war das?" Nun, wer den ganzen Tag auf dem Pilz hockt, kommt nicht weit rum und ist deshalb immer begierig auf neue Nachrichten: "Jetzt sag schon ..." Was will das neugierige Puscheltier denn nur von der Maus? Die Schlafmütze zuckt mit den Schultern: "Uäähh! Wer?" Die Raupe kann es nicht glauben: "Na, mit dem du gerade gesprochen hast?" Träge zieht die Schlafmaus einen Flunsch, bevor sie endlich weiter schleicht: "Ich doch nicht, ich bin doch viel zu müüühüüde."

Dagegen hat jemand anders genau aufgepasst, wer sich plötzlich im Garten herumtreibt: "Was will der Riese hier? Wo kommt der denn her und macht sich gleich zum großmächtigen Mützenwart?" Wütend trampelt die Maus mit dem roten Zylinder einmal um die eigene Achse im Kreis: "Was bildet sich der langhaarige Flegel überhaupt ein? Und worauf denn? Der kann sicher noch nicht einmal Kamm buchstabieren!"

Eine kleine Maus probt den großen Zwergenaufstand: "Ich bin doch hier der Hutmacher, bin es schon vorher gewesen." Da kann sich doch nicht jeder mit dem gleichen Gewerbe hier niederlassen und dann noch schön mit den unbedarften Fast-Kunden sprechen: "Außerdem, was soll ich denn jetzt machen? Fingerhüte?"

"Er ist schon ein wenig verrückt, wenn er sich immer so aufregt," grinst der gelbe Katzennager. "Oh, ja!" bestätigt das weiße Mausekaninchen: "Es ist jedes Mal dasselbe mit diesen erregten Hütchenbastlern." Da murrt es sofort unter dem roten Zylinder: "Das habe ich gehört."

"Potztausend, ihr habt Igel." Der große Hutmacher hat inzwischen mit Nicht-Alice und Kein-Conroy einen neuen Gartenschatz entdeckt: "Das ist ja ganz formidabel. Wo stehen die Flamingos. Wir spielen noch schnell zusammen eine Partie Krocket."

"Ihr könnt schon mal die Tore aufstellen." Der Bär im feinen Zwirn schiebt sich den Zylinder keck ins Gesicht und wirft sich dabei in Positur. "So, jetzt reicht mir doch endlich so ein Schlagschnabeltier mit rosa Federflaum und ich werde euch zeigen, wie man den Igel mit einen satten Schwinger über Bande spielt."

Die beiden kleinen Bären schauen sich verwundert an: Was für eine Bande? Oder meint der Bär mit der roten Mähne diese Flamingos. Nur gibt es hier keine Stelzvögel, keine rosa Bande, keine fliederfarbene Herde oder einen Schwarm in tüpfeltürkis. Aber dafür gibt es hier Giraffen. Denn Gerome ist in den Garten gekommen, um zu sehen, mit welchem Petz die kleinen Steppkes gerade unterwegs sind. Nun ist es an dem Hutmacher, sich zu wundern: "Was hier landläufig so keucht und fleucht. Ist das ein Langhalshottehü?"

Langhalshotte ... pferd, Pfhh! Das hat noch niemand zu Gerome gesagt. Er will gerade ausholen von der afrikanischen Savanne, den großen Großtieren und wie die Giraffen alle überragen, als der große Bär schon einlenkt: "Ach egal. Ich habe eine Idee, wie geschaffen für einen hochhalsigen Freund." Währenddessen versuchen die beiden Bärenkinder den Igel in Sicherheit zu bringen: "Psst." Ein kleiner Schupser. "Schlag dich in die Büsche ... autsch!" Das ist ganz schön pieksig. "Los verschwinde!"

"Mein Bester, habt ihr schon mal über Krocket nachgedacht." Freundlich tätschelt der Bär der Giraffe die Schulter: "Ihr hättet die rechte Statur dafür. Was für ein wundervoller Hals." Wenig später hat der Hutmacher den neugierigen Gerome am Wickel. Bis ... bis ... bis dem so Umgarnten ein Licht aufgeht.

"Das ist eine Unverschämtheit!" Der Langshals bläht die Nüstern. "Ich spiele nie niemals nicht auf keinen Fall dieses Krokobagette!" Gerome hat inzwischen begriffen, worin seine besondere Krocket-Eignung besteht. Von wegen schlanker gerader Hals und klassisches Kopfprofil. Er soll hier den gemeinen Schläger geben! Gerome rauscht mit zornesblitzenden Augen ab. Der Hutmacher eilt mit fliegenden Rockschößen hinterher: "Es ist doch nur ein leichter Schlag ... der Igel macht fast alles allein."


Fotos: W. Hein

Es hilft sicher, wenn man hier als Leser(in) ein(e) Freund(in) von Alice im Wunderland ist, sonst ist man am Ende der ganzen Hutmachergedanken so verwirrt wie Frau Fuchs, wenn sie auf Bären trifft. Aber wenn ein Hutmacher von Anna Koetse bei uns einzieht, dürfen wir schon die Wahrnehmung ein wenig verrücken. Eigentlich hat Frau Koetse den Hutmacher 2010 für die Teddy Bears of Witney nach England geschickt. Inzwischen war in in Baton Rouge in den USA gelandet. Von dort haben wir ihn in unseren Garten geholt, auch wenn ein Hase mit der Uhr heute keine Zeit hat. Ein paar andere Wunderland-Figuren, wie die Mäuse Raupen und Katzen von Deb Canham, sind inzwischen ständige Hausbewohner. Der kleine Igel von Heather Lyell, wusste gar nicht, dass er überhaupt ins Wunderland gehört. Gerome von Lynda Hampton und Frau Fuchs von Natashaa Kataeva sind streng genommen keine Freunde von Alice. Aber wir haben als Rica-Bären ja auch nur eine Nicht-Alice und einen Kein-Conroy. Und ein Muffy von der North American Bear Company im duftigen Sommerkleid passt eigentlich immer in eine klassische Gartengeschichte. Vor allen Dingen wenn es seine eigene Teetasse zur Gesellschaft mitbringt.


Keine Kommentare: