Samstag, 28. April 2012

Die Tröte

Es trötet wieder im Garten. Luis hat sich von einem großen braunen Bären im Haus eine Blechpuste geliehen. Erst hat er immer nur Luft durchgeblasen, bis der Bär ihm gezeigt hat, dass er die Lippen spitzen und fest an das Mundstück pressen muss. Das kitzelt so richtig an den wabbelnden Lippen, wenn der Elefant die Luft durchpressen will. Und dann gibt es endlich ein erstes zartes Pröhöt. 

Der König des Gartens übt jetzt schon viele Stunden im Garten. Die Tonfetzen aus der Blechblastüte werden immer länger und lauter. Es gibt schon heisere ... quitschende ... rausgequetschte ... scheppernd laute ... langgezogene und welche, die sich schneidend hochschrauben. Luis ist stolz, wie viele verschiedene einzelne Töne er schon posaunieren kann. Melodie gibt es dann morgen.

"Na, du alter Zackenträger!" Unvermittelt steht der Lars neben dem Freilandbläser und deutet auf die Stoffkrone auf dem Elefantenhaupt. Vor ein paar Tagen hat der Bär das blaue Königskind im Garten gesehen und zum Ostereier-Aufräumen mitgenommen.

Luis setzt noch mal an und presst eine stotternde Fanfare aus der Tröte. Der kleine Bär sieht neugierig zu: "Du hast doch ein eigenes Rüsselrohr zum Trompeten." Er zeigt auf die Blechtröte: "Wozu hast Du jetzt so einen Blasebalg?"

"Ich kann damit noch ganz andere Töne machen und es ist auch nicht so feucht." Lars runzelt die Stirn. Also muss das der kleine Elefant genauer erklären: "So beim Schnauben mit der eigenen Langnase rotzt es immer aus dem Rüssel."  Lars schüttelt sich. Auch Luis rümpft die Schlauchnase: "Finde ich doch auch voll eklig." Genug rumgerotzt, deshalb fragt der Blasefant lieber: "Und was machst du im Garten?" Was für ein Frage für den Hosenpetz: "Na, ich hab doch meine Zwille."

Das Zielen auf hängende Eier ist dem kleinen Bären inzwischen zu gefährlich geworden. Deshalb zielt er jetzt mit Tannenzapfen auf die bunten Blumen im Garten. Da sind nur ein paar Bienen beleidigt. Aber eben keine Dekowunder, die lieber die Reste von Ostern als ganze Eier verpacken wollen. Und das Abschießen geht nicht ohne Eibruch.

Und zack! Lars lässt die Zapfenschleuder schwirren. Das Geschoss saust über die Betonfläche bis es in den Waldmeister klatscht und in den Blättern verschwindet. 

Der Elefant zeigt sich nicht soo beeindruckt: "Deine Zwille ist aber nicht so toll wie meine Töneschleuder." Er zieht die glänzende Trompete an sich, als der Bär verwundert guckt.

"Wenn Du willst, könnte ich dir das Schmetterhorn auch mal leihen. Dann kannst Du auch tolle Töne machen." Luis zeigt auf das Horn und schiebt es dem Bären rüber: "Ich kann Dir auch zeigen, wie das geht." Und fügt dann fast beiläufig hinzu: "In der Zeit könnte ich deine Zwille halten."

"Ne, lass mal!" Der kleine Bär überlegt nicht lange. In das Blechdings reinrotzen hat ja schon der Elefant gemacht. Und bis jetzt hat seine Zielübungen noch lange nicht abgeschlossen. Ein Meisterschütze braucht viel Training. Auf jeden Fall sollte er weiter üben, so lange es noch Nachschub für die Zwille gibt.

Dann stürmt Lars wieder los. Er hat neue Tannenzapfen entdeckt, die er verschießen kann. Die hohen Nadelbäume haben reichlich Munition auf die Betonfläche geworfen. Und die verteilt der Bär nun um in die umliegenden Beete und Büsche.

"Schau mal her, du blaues Rüsseltier," verkündet der kleine Hosenträger. "Das saust gleich auf die hohen Blumendinger." Er nimmt eine alleinstehende Akelei ins Visier. Bis jetzt sind die Zapfen immer rechts oder links im Waldmeister eingeschlagen. Aber wenn er trifft, wackelt es garantiert ordentlich im Blütengeläut.

Luis würde auch gern die Blumen durchschütteln. Und dem Wucherkraut eine verpassen. Oder auch nur so irgendwas beschießen. Aber der Lars hat die Zwille und er nicht. Vielleicht kann er doch noch tauschen: "Duhuuu Laaaahaarrs." Er versucht sehr überzeugend zu klingen: "Das ist wirklich eine prima Tröte..."

Pustekuchen, ein Bär hört schon gar nicht mehr zu: "Da rauscht es gleich im Blätterwald!" Der nächste Zapfen ist eingelegt und die Astschleuder schon gespannt. Der Junge zielt nur kurz und dann "Boahh!" saust das Tannengeschoss ins Geäst. Meilenweit von jeder Blüte weg. "Ich hab' doch auf Käfer geschossen,"

Lars legt schon den nächsten Zapfen ein. Und hinterher schlurft der Gartenkönig. Das Blechhorn knarzt über den Beton. Heute ist ihm die Lust zum Tönemachen vergangen. Viel lieber würde er mit einer Zwille Zapfen ins dichte Grün schießen. Wenn ihn der Lars endlich mal lassen würde.


Fotos: W.Hein

König Luis kommt eigentlich aus Berlin von den Stepi-Bären.
Lars ist ein Bellabim Bär, auch aus Berlin. Den Luis hat er
trotzdem erst hier im Garten kennengelernt.

So geht es weiter

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